Letzten Sommer durften wir trotz aller Umstände ins Südtirol in die Ferien.
Es ist die alte Heimat meiner Eltern und wir Kinder haben dazu einen besonderen Bezug.
Unsere Grosseltern und einige Verwandte lebten dort.
Als Kind waren unsere Ferien ausschliesslich im Südtirol bei der Familie.
Nun hat die Zeit vieles geändert, viele Familienangehörige sind gegangen,
doch die Verbundenheit zu dieser Region in Italien ist geblieben.
Besonders das Vinschgerl Paarl hat es mir und allen hier angetan.
Drum war es in der letzten Zeit mir ein grosses Bedürfnis,
mich mich den alten Begebenheiten von damals und einem möglichst authentischen Rezept zu beschäftigen und zu suchen.
In meiner Recherche vor einem Jahr, stiess ich auf das obige Buch:
Brot im südlichen Tirol, Arunda Verlag
.
Heimatforscher aus Südtirol hatten sich mit dem Brot, den Brotbacköfen, dem Getreide und verbundenen Traditionen beschäftigt und ein Buch mit vielen schönen alten Bildern heraus gegeben.
Während den Ferien letzten Sommer hoffte ich, es in einem Buchladen zu finden.
Doch es schien vergriffen.
An einem Besuch vor Ort an einem Antikmarkt, stiess ich per Zufall? auf dieses Buch.
Es lag einfach so da und ich nahm es mit.
Ich habe es von A-Z gelesen, vieles kam mir aus meiner Kindheit wieder in den Sinn.
Vinschgauer sind handtellergroße, zwei bis drei Zentimeter dicke Fladenbrötchen aus einem Roggen-Weizen-Sauerteig und Hefe. Sie stammen aus der Region Vinschgau in Südtirol, woher sie auch ihren Namen haben. Zu den Südtiroler Vinschgerlen gehört auch das verwandte Schüttelbrot. Bei traditioneller Herstellung werden Vinschgauer paarweise zusammenhängend gebacken und dann als Vinschger Paarlen bezeichnet. Vinschgauer haben durch ihre flache Form einen hohen Krustenanteil, schmecken sehr würzig und halten sich durch den hohen Roggenanteil und die Sauerteigbasis mehrere Tage lang frisch.
Es hat wunderschöne alte Fotos aus dieser Zeit, Bilder aus einer mühseligen
und doch wohl zufriederen Zeit, als vielerorts heute.
Traditionellerweise wurde das Brot nur 1-2x pro Jahr und dann in Massen gebacken.
Es wurde aufbewahrt und konnte auch gut hart gegessen werden.
Dank der besonderen Gewürze war das Brot sehr bekömmlich und vor Ungeziefer geschützt.
Die Kinder nagten an den Brotstücken, die Alten legten es in Milchkaffee ein.
Man achte auf die Hände, der Teig ist nicht knetbar, sondern ist eine zähe, klebrige Masse.
Und hier ganz wichtig, eine Gramml.
Damit hatte/hat man das harte Vinschgerl dann in kleine Stücke zerlegt.
Das Buch ist ein kleiner Schatz und ich freue mich wahnsinnig, es besitzen zu dürfen.
Leider hatte es im ganzen Buch kein Rezept.
Es wurde darauf hin gewiesen, dass es je nach Region und Hof etwas anders gebacken wurde.
Die Hauptbestandteile sind aber praktisch überall die gleichen:
Roggenmehl, Salz, Sauerteig, Kümmel, Anis, Brotklee (und Koriander, aber nicht überall)
Sauerteig
Eben gerade diese Aromen, bestehend aus Anis, Koriander, Kümmel
und den Brotklee ( der auch Schabzigerkraut oder Zigeunerkraut genannt)
geben diesem Brot das Besondere.
Sauerteig
In meiner Recherche ist der Sauerteig ja eigentlich eines der ältesten Triebmittel für's Brotbacken überhaupt. Viele Bäcker im Südtirol verwenden keinen Sauerteig mehr im Vinschgerl. Ich jedoch finde, dass die Säuere dem Brot nur noch mehr Geschmack verleiht.
Ich hatte einen Sauerteig auf Basis TS200 angesetzt, also 50g Roggenmehl/50g Wasser,
das im Rezept nicht genau vermerkt war. Es erwies sich als genau richtig.
Brühstück
Dieses Rezept hat noch ein kleines Geheimnis,
ein Brühstück und zusätzlich einen Frischhefevorteig.
Ich war zunächst skeptisch, doch die Vinschgerln bleiben lange frisch und der zusätzliche Trieb im Teig gibt das typische Bild eines lockeren Inneren.
Frischhefevorteig
Vinschgerl-Teig ist nicht fest!!
Er ist ein zähflüssiger Teig, der nicht geknetet werden kann.
Lediglich ein gutes Durchmischen mit den Händen ist möglich.
Mit gut bemehlten Händen wird eine Handvoll Teig aus der Schüssel genommen und auf das Blech gelegt.
Typischerweise zwei nebeneinander, so gibt es dann die bekannten "Paarlen".
Es ist eine rechte Sauerrei und die Hände kleben stark, drum nicht mit dem Mehl sparen.
Ich habe sie dann noch mit Mehl bestäubt und
sicher 1-1.5h aufgehen lassen ( Doppeltes Volumen),
bis sie die "Risse" und Löcher des Teigtriebes aufgezeigt hatten.
In den vorgeheizten Ofen gut durchbacken und auf dem Gitter auskühlen lassen.
Das Aroma der Gewürze bildet sich erst nach gutem Abkühlen und den nächsten Tagen.
Das Brot scheint dann jeden Tag etwas aromatischer zu schmecken.
Der Genusstest in der Familie haben die Vinschgerln bestanden,
stammen meine Eltern aus dem Vinschgau und die müssten es ja wissen;)
Ein kleines Stück alte Heimat.
Das Rezept ist nicht von mir, sondern von einem Bäckermeister aus dem Vinschgau/Südtirol.
Das Rezept habe ich nach langem suchen und Anfragen unter der Hand erhalten
und darf es auch nicht weiter geben.
Ich hoffe da auf Euer Verständnis.
Es gibt aber einige gute Rezepte, die jedoch nicht all diese oben genannten Eigenschaften haben.
Vielleicht lässt sich der eine oder andere erwähnte Tipp von mir ergänzen.
Die Menge der Zutaten und der Brotlaibe auf meinen Fotos lässt schliessen,
dass es für 3 volle Backbleche gereicht hat.
Es waren über 2.5kg Teig, die ich verbacken habe.
Etwas weniges schlummert noch eingefroren im Gefrierschrank,
da ich nicht alles auf's Mal essen wollte/konnte
und so immer wieder mal ein Brot genüsslich verspeisen darf.
Und hier noch einen wunderschönen Film,
Meine kleine Hommage an unser liebstes Brot in der Familie.
Herzlich, Rita
Geschichte des Vinschger Paarl
Die Geschichte des Brotes im Alpenraum beginnt mit Brotfunden aus dem 4. Jahrtausend in der Schweiz.
Aus Südtirol gibt es Belege für Spelzgerste und Einkorn bereits aus dem Neolithikum. Die Römer bauten in Südtirol Weizen, Gerste, Roggen und Hirse an, wobei sich vor allem Roggen als widerstandsfähiges Korn durchsetzte. Bedingt durch das rauhe, aber relativ trockene Klima und durch die Abgeschiedenheit der bäuerlichen Hochsiedlungen, entwickelte sich in Südtirol schon im angehenden Mittelalter eine eigene Art der Vorratswirtschaft.
Eine der gängigsten Brotsorten war schon im Mittelalter das "Vinschger Paarl". Das "Ur-Paarl nach Kloster Art" ist die ursprüngliche und älteste Variante des typischen schmackhaften Brotes aus dem Vinschgau aus dunklem Roggenmehl. In der traditionellen Form werden, wie der Name bereits andeutet, zwei rund geformte flache Laibe zu einem "Paar" vereint. Das Originalrezept gehört den Benediktinermönchen des Klosters Marienberg (oberhalb Burgeis) und die Bäcker, die sich an ihre Anweisungen halten, stellen das Ur-Paarl mit natürlicher Hefegärung aus Roggenmehl her.
Auch heute noch findet man an verschiedenen Bergbauernhöfen den typischen Brotbackofen neben dem Bauernhaus. Vielfach wird dort noch 2-3 Mal jährlich eine große Menge an Vinschger Paarlen gebacken, die dann in der Vorratskammer aufbewahrt werden. Zum Trocknen wurden die Paarlen in den Brotrahmen geschichtet, geschnitten wurden die harten Paarlen dann in der Gramml (ugs. Gromml). Das Vinschger Paarl darf bei einer zünftigen Südtiroler Marende nicht fehlen, aber auch in getrocknetem Zustand ist es Basis herrlich schmackhafter Gerichte, wie z. B. für die Vinschger Brotsuppe.
Geschichtlichen Überlieferungen zufolge wurden früher nach Beerdigungen beim "Leichenschmaus" nur halbe Paarlen gereicht.
Liebe Rita, vielen Dank für deinen interessanten Bericht.
AntwortenLöschenLiebe Grüße Marita
Liebe Rita,
AntwortenLöschendie Geschichte vom Vinschgauer Brot ist sehr interessant!
Kostbar war es. Wenn man sich vorstellt, dass nur wenige Male gebacken würde...
Von wegen Brot vom Vortag will niemand.
Brot, das aus der eigenen Geschichte stammt finde ich auch sehr interessant.
Ich stamme aus einer armen Gegend vom Vorspessart. Und kann mich auch noch an die Backtage erinnern. Die Großeltern hatten einen eigenes Backhäuschen.
Das Buch gibt es noch, habe bei
Booklooker 3 gesehen. allerdings zu
einem stolzen Preis.(War mir doch zu teuer).
Viele Grüße, Irmgard
Liebe Rita
AntwortenLöschenMhhh, ich liebe diese Vinschgerl über alles. Natürlich habe ich es auch schon zuhause nachgebacken. Ein kleines Kochbüchlein aus dem Südtirol in einer Buchhandlung kam mit in die Schweiz. Genau diese Gewürze mag ich sehr. Leider muss ich auf Gluten verzichten, und so auch auf dieses Brot.
Herzliche Grüsse
Brigitte