07 Februar 2020

kintsugi

Vor über 20 Jahren machte ich meinen Berufsabschluss als diplomierte Pflegefachfrau. Von meiner damaligen Abteilung im Spital bekam ich als Diplomgeschenk eine wunderschöne Keramikschale geschenkt.

Diese Schale habe ich gehütet, wie meinen Augapfel. Sie stand immer auf der Kommode in meinem Schlafzimmer, nichts lag auf der Schale. Sie stand einfach da.

Vor etwa 4 Monaten ging die Schale kaputt. Meine Kinder waren daran beteiligt, es war ein dummer Unfall.


Es hat mich sehr geschmerzt, denn erst da realisierte ich,  dass diese Schale meine einzige Anerkennung war, die ich für meinen Berufsabschluss damals erhalten hatte.


Ich konnte die Scherben nicht wegwerfen, 
und so verstaubten diese Stücke auf dem Korbhocker im Schlafzimmer.

#werbungnichtgesponsert, Reparaturkid auf Etsy erhältlich.

Nun vor 3 Wochen stiess ich auf diese japanische Reparaturform, die sich Kintsugi nennt. Diese Technik entstand etwa aus dem 16. Jahrhundert aus der Teezeremonie und sollte die Einfachheit und die Wertschätzung der Fehlerhaftigkeit in das Zentrum stellen. 
Grob erzählt, leimt man quasi mit vergoldetem Leim die Bruchstücke wieder zusammen.
Viele würden wohl wollen, dass die Bruchstellen unsichtbar wären, doch diese Technik hebt diese Schadstellen sogar hervor.
Es stellt den Bruch in den Mittelpunkt. Etwas Neues entsteht aus einem kaputten Stück.


Während des Zusammenleimens der Scherben merkte ich, dass ich als Laie nicht so gut mit dieser Technik umgehen kann. Genauso ist es vielleicht auch im Leben. Erworbene Narben sei es durch einen Unfall, Schnitt oder durch negative Begegnungen im Leben, heilen verschiedentlich zusammen.
Die einen ganz schnell, fast unsichtbar, andere stark vernarbt, andere heilen kaum, oder lecken immer wieder auf. Man versucht, wieder zu "kitten", was möglich ist.
So sieht das auf meiner Schale aus. Unvollkommen, unregelmässig, und doch haftet alles wieder zusammen.


Die Schale ist wieder als Ganzes zu sehen und doch, die goldenen Narben sind unverkennbar zu sehen. Narben können auch Neues entstehen lassen, und ich finde, diese Schale und ihre goldenen Spuren lassen mich mit der Vergangenheit versöhnen. 


Die Schale steht wieder an ihrem Platz, wie wenn nichts gewesen wäre und doch sehe ich die Bruchstellen noch immer. Jetzt aber mit etwas anderen Augen.


Narben sind Male, Zeichen eines Unfalles, einer unüberlegten Tag, eines Zufalles, was auch immer.
Als Mahnmal  etwas nicht zu tun oder das Erlebte bis auf eine Narbe überstanden zu haben.
Als Auszeichnung für eine besondere Tat.
Eine Narbe vergisst man nie. Vielleicht zeitweise, doch die daran verknüpfte Erinnerung bleiben immer erhalten.


Narben wie sie auch entstehen und sich danach zeigen, sind immer verschieden. Glatt, fein, kaum sichtbar. Oder uneben, erhöht, schwulstig, rauh, verzogen, zerklüftet, leckend, zusammenziehend, schmerzend.

Ich glaube, jeder besitzt Narben. Zugefügt durch eine äussere Begebenheit, wie einen Unfall, Sturz oder Schnitt, usw.
Es gibt aber auch die unsichtbaren Narben, zugefügt durch Worte, die genauso verletzend sein können, wie ein Messer. Solche Narben heilen oft nur über lange Zeit, gut oder weniger gut.
Und schon ein einzelnes Wort können solche Narben wieder aufreissen.


Wie man dies überwinden kann, kann ich nur erahnen. Für mich sind offene Gespräche über das Erlebte heilsam. Nicht immer ist es einfach, doch das darüber Reden nimmt die Last und das Ganze klart auf. 

Scherben bringen Glück...stimmt das?

Vielleicht hast Du noch eine Geschichte oder einen Tipp zu dem Thema? Würde mich darüber freuen.

Habt alle einen ganz schönen Tag!


Herzlich, Rita


















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